Von der dualen Studentin zur Professorin an der DHBW Heilbronn: Dr. Maren Jakob startet im Studiengang BWL-Food Management

Als Maren Jakob vor fast 20 Jahren ihr duales Studium an der DHBW in Ravensburg begann, war noch nicht abzusehen, dass sie heute selbst an einer dualen Studienakademie lehren würde. Seit dem 1. April 2025 ist sie Professorin im Studiengang BWL-Food Management. Im Interview sprachen wir mit ihr über die neuen Herausforderungen im Beruf, spannende Themen in der Food-Branche und darüber was sie den jungen Menschen mitgeben möchte.

Wie fühlt es sich für dich an, als Professorin an die DHBW Heilbronn zurückzukommen? Ist es ein Heimspiel oder doch ein ganz neues Gefühl? 
Es ist eine Mischung aus beidem: Auf der einen Seite ist es mir vertraut, weil ich selbst vor einiger Zeit dual studiert habe. Andererseits fühlt es sich neu und aufregend an. Ein neuer Lebensabschnitt, der spannende Aufgaben, aber auch eine andere Art von Verantwortung mit sich bringt. Diese neue Verantwortung als Professorin ist etwas, das ich sehr ernst nehme. 
Vorlesungen zu halten, ist nicht komplett neu. Ich habe schon vorher als Dozentin gearbeitet, aber der Umfang des Lehrauftrags hat sich natürlich vergrößert und neue Inhalte sind hinzugekommen. Zu lehren bedeutet für mich auch, unsere Studierenden gut auf die Zukunft vorzubereiten und die Kompetenzen anzubahnen, die sie in Zukunft brauchen werden: zum Beispiel Flexibilität, Konfliktfähigkeit und beständige Lernbereitschaft. 
Im Umkehrschluss heißt das auch, dass ich jeden Tag selbst an mir arbeite, dazulerne, mich intensiv vorbereite und am Ball der Zeit bleibe. Dabei hilft mir auch der rege Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, ich fühle mich in meinem Team sehr wohl.

Welche Themen werden die Zukunft des Food Management in den nächsten fünf Jahren bestimmen und warum? 
Der Food-Bereich wartet in den nächsten Jahren mit spannenden Themen auf: Digitalisierung, Gesundheit, Resilienz, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit werden die Food-Branche weiter verändern. Die beispielhaft genannten Aspekte greifen dabei auch ineinander und treiben sich gegenseitig: Indem wir z.B. immer mehr digitale Daten von uns preisgeben, ist es möglich Algorithmen zu entwickeln, die für jeden Einzelnen gesunde Ernährungsvorschläge generieren. 
Doch die Digitalisierung formt die Food-Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette: die Lebensmittel-Produktion lässt sich präziser steuern – zum Beispiel über Ernteprognosen - , Gastronomen können leichter einen Bedarfs-Forecast erstellen und Angebote für Geschäfts- und Privatkunden können immer weiter personalisiert werden. Aus diesen Entwicklungen heraus können auch ganz neue Geschäftsmodelle entstehen: zum Beispiel so genannte Ghost Kitchens, die haben keinen Gastraum mehr, sondern produzieren lediglich für Lieferdienste.  
Für eine immer älter werdende Gesellschaft spielt das Thema gesund alt werden eine immer wichtigere Rolle. Daraus entwickeln sich Trends wie Longevity, gesundheitsbewusstes Essen aber auch mindful drinking. Das birgt Herausforderungen für die Branche, denn diese Trends wollen erkannt und bedient werden. 
 

Was ist dir wichtig in der Lehre, was willst du deinen Studierenden mitgeben? 
Ich möchte die Studierenden in erster Linie gut auf ihre Zukunft vorbereiten. Das heißt für mich, dass sie in der Lage sind analytisch zu denken, komplexe Sachverhalte zu zerlegen und Muster zu erkennen und daraus logische Schlüsse ziehen lernen. In einer Welt, die immer komplexer wird, aber dabei oft einfachere oder einfacher erscheinende Lösungen bevorzugt, ist diese Art zu denken ein entscheidender Vorteil. 
Die Volatilität der Wirtschaft und Gesellschaft wächst, darum ist es für Führungskräfte sehr wichtig, resilient und flexibel agieren zu können. Leadership bedeutet für mich aber auch Self-Leadership, das heißt die Fähigkeit und Verantwortung sich selbst in der eigenen Rolle als zukünftige Führungskraft beständig zu reflektieren und sich kontinuierlich weiter zu entwickeln. 
Technologische Literacy, das heißt die Fähigkeit, technologische Entwicklungen wie beispielsweise KI verstehen und nutzen zu können, ist eine Notwendigkeit geworden. Das bedeutet für mich aber auch, KI reflektiert zu gebrauchen und Lösungsvorschläge kritisch zu hinterfragen. 
Gerade die Zeit der Pandemie hat uns auch gezeigt, wie wichtig echte Begegnungen und persönliche Netzwerke sind. Insbesondere dann, wenn Menschen immer öfter online kommunizieren, werden ein empathischer Service und authentische Nähe im Umgang mit einander seltener und damit wertvoller. 

Du bist sozusagen ein Eigengewächs der Dualen Hochschule. Worin siehst du den Vorteil gegenüber anderen Hochschularten? 
Mein duales Bachelorstudium war eine prägende Zeit. Im dualen Studienkonzept kann man das theoretische Wissen sofort anwenden und dadurch besser verinnerlichen. Ich hatte auch das Glück, bei meinem damaligen Dualen Partner bereits früh sehr viel Verantwortung übernehmen zu dürfen und mich dadurch schon im Studium auf spätere berufliche Rollen gut vorbereiten zu können. Das hilft mir bis heute.
Neben der Integration von Theorie und Praxis hat mir auch die Abwechslung gutgetan – richtig motivierend fand ich die Möglichkeit, direkt mitwirken und gestalten zu können.

Die Lebensmittelverschwendung spielt eine Rolle in deiner Dissertation. Was kann jede*r Einzelne heute dazu beitragen, die Verschwendung zu reduzieren? 
Ich habe mir insbesondere den privaten Konsum angeschaut, denn obwohl die allgemeine Wahrnehmung dahin geht, dass der Handel für einen großen Teil der Lebensmittelverschwendung verantwortlich sei, sehen die Zahlen anders aus. Schon allein aus betriebswirtschaftlichem Gründen haben die Unternehmen großes Interesse, die Verschwendung niedrig zu halten. Lediglich 7 Prozent der Lebensmittelverschwendung entfallen beispielsweise auf den Handel, den Löwenanteil machen die privaten Haushalte mit 58 Prozent aus. Das sind die aktuellen Zahlen. Es gibt mittlerweile in der Food-Branche viele Leuchtturmprojekte, um die Lebensmittelverschwendung weiter zu reduzieren: Zum Beispiel die Messung von Lebensmittelabfällen durch eine KI, Optimierung von Forecasts, Anpassung von Portionsgrößen und ganze Speisekarten mit einer geringen Anzahl von Zutaten zu kreieren oder die gezielte Verwendung von Nebenströmen etc..

Was jedem Einzelnen hilft, ist sich selbst zu reflektieren: Wie viel kaufe ich ein? In welchen Situationen kaufe ich zu viel? Kann ich aus Lebensmittelresten noch neue Gerichte kreieren? Dafür gibt es mittlerweile auch Programme, die aus den Kühlschrankresten Rezepte generieren – das funktioniert wunderbar. Was auch helfen kann: Mit Nachbarn, Freunden, Kollegen oder auch online Netzwerke aufzubauen und dann Überreste rechtzeitig verschenken und zu teilen. Weiterhin lohnt es entsprechendes Wissen zu erwerben, zum Beispiel zum Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum. Und wir sollten die Experimentierfreude in der Küche wiederentdecken und mit Resten kreativ werden.
Privaten Konsum, also hier das Essen und Wegwerfen in den privaten Haushalten politisch, zum Beispiel durch Gesetze oder Vorschriften, zu regeln ist sehr schwierig bis unmöglich. Darum ist es wichtig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre eigene Verantwortung anerkennen – wir haben es im Ernährungskontext mit der so genannten Multiakteursverantwortung zu tun. Das setzt natürlich voraus, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in der Lage sind, dieser Verantwortung gerecht werden zu können, womit wir bei entsprechenden Kompetenzen wären. Diese anzubahnen, also Verbraucherinnen und Verbraucher zu empowern verantwortungsbewusst und reflektiert zu handeln, daran müssen wir als Gesellschaft arbeiten.

Ein Ergebnis meiner Doktorarbeit war für mich besonders überraschend: die untersuchten Studierenden haben mehr weggeworfen als der Durchschnitt. Obwohl sie tendenziell weniger Einkommen haben, landen mehr Lebensmittel in der Tonne. Das hat mehrere Gründe: Junge Leute möchten gerne spontan bleiben und sich nicht einem Mahlzeitenplan unterwerfen. Sie weisen eine vergleichsweise hohe Mobilität auf und sind empfänglich für Sonderangebote. Gleichzeitig zeigen erste Studien, dass Jugendliche und Kinder in Schule und Familie heute weniger Zubereitungskompetenzen erwerben. So fehlt oftmals der direkte Bezug zu den Lebensmitteln, Kinder erleben nicht mehr, wie Gemüse angebaut oder Kühe gemolken werden, was auch dazu führen dürfte, dass wir Lebensmittel nicht mehr ausreichend wertschätzen. Die Lebensmittelwertschätzung ist ein Thema, mit dem ich mich auch weiterhin auseinandersetzen werde. Wir wissen beispielsweise noch nicht, wie wir sie operationalisieren und damit messen können.
 
Welche Tipps hast du für Absolvent*innen, die eine Karriere in der Wissenschaft anstreben? 
In der Wissenschaft geht es nicht nur darum, schnelle Antworten zu finden, sondern vor allem darum, die richtigen Fragen zu stellen. Neugier und kritisches Denken sind essenziell, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Wissenschaft ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Rückschläge gehören dazu. Wichtig ist, dass man aus Fehlern lernt und kontinuierlich an den Zielen arbeitet. Gute Mentoren und Netzwerke verleihen Flügel. 
Karrierepfade verlaufen heute auch oft nicht mehr linear, sondern gleichen einem Mosaik: Was am Anfang nicht unbedingt zusammenpasst, erweist sich im Nachhinein als Vorteil. Gerade diese Vielfalt an Erfahrungen und Perspektiven bereichert.