Die Herrin der Vögel: Künstlerin Frieda Wionzek mit der Ausstellung „Tiere. Tiefe. Tarnung.“ an der DHBW Heilbronn
Pelikane in den Sumpflandschaften von Florida, Kernbeißer vor der Haustür in Neuwied, Steinadler im „Alpengipfel“ der Tiere. Sie sind winzig und versteckt, leicht angedeutet mit hauchzartem Federkleid oder bunt und grell: Vögel spielen in den Naturlandschaften der Neuwieder Künstlerin Frieda Wionzek eine große Rolle und übernehmen oft sogar die Hauptrolle. Das mag an ihrer Biografie liegen: Vögel bedeuteten für sie – egal ob sie in Kirgisien, Estland oder Deutschland wohnte – ein Stück Angekommensein in der Natur. Ihre Ausstellung „Tiere. Tiefe. Tarnung.“ wurde am letzten Donnerstag an der DHBW Heilbronn eröffnet.
Prorektor Prof. Dr. Tomás Bayón begrüßte die Gäste zur mittlerweile 29. Vernissage an der Studienakademie Heilbronn, eine Tradition, die der Standort 2011 begründet hatte. „Kunst transportiert Tiefe, Emotion und Seele“, sagt Bayón, „und bildet so einen Ausgleich zu den Problemen, die man während der Vorlesung mit dem Verstand löst.“ Laudatorin Natalie Scheerle-Walz, Kunsthistorikerin und Leiterin des Zweirad- und NSU-Museums in Neckarsulm, stellte die Frage: Wie wächst ein junger Mensch? Hier an der Dualen Hochschule finden Studierende einen Ort zum Wachsen. Und die Auseinandersetzung mit der Kunst verändert etwas. Je länger Bilder in einem Raum hängen, desto stärker wirken sie. Ein Dialog beginnt – und sei es mit den ersten Selfies vor dem Bild „Urstämme schützen“.
Scheerle-Walz nähert sich dem Werk von Wionzek von verschiedenen Seiten: der philosophischen - tote Äste neben neuem Laubwerk als Sinnbild für Vergänglichkeit, der spirituellen Seite mit der Natur als Lehrmeisterin und der sinnlichen Seite: der emotionalen Begegnung mit den Farben, Formen und plastischen Schichten.
Vom Himalaya nach Neuwied
Frieda Wionzek wurde 1960 am Fuße des Himalaya-Gebirges in einem kleinen Dorf in Kirgisien geboren. Sie wächst als Teil einer Großfamilie mit 14 Kindern auf. Dass die Kinder mit anpacken und arbeiten, ist selbstverständlich. Geld war ein knappes Gut. Fernab von Medien und Spielsachen wuchs die Fantasie – die Natur wurde Wionzeks Spielfeld. Die Formen und Farben der Steine, die Muster auf der Wasseroberfläche, aber auch die Spiralformen der Holzspäne in der Werkstatt ihres Vaters – das Kind Frieda beobachtete genau. Bald kommt der Wunsch, die Beobachtungen zu Papier zu bringen. Wionzek zeigte schon früh ein Talent zum Zeichnen. Später zog die Familie nach Estland und Deutschland um. Nach der Schule und einer Ausbildungs zur Erzieherin begann sie das Studium der freien Malerei. Später wurde sie Mitglied der Kunstakademie Rheinland und in der Neuwieder Gruppe 93.
Der Prozess ist das Ergebnis
Wenn Frieda Wionzek malt, dann vergisst sie alles um sich herum. Im Fluss entstehen Landschaften und Formen, Farbschichten werden aufgetragen, mit Pigmenten zum Leuchten gebracht. Umrisse von Tieren kommen zum Vorschein, werden hinter Lasuren wieder versteckt. Wionzek spritzt, sprüht, schabt und kratzt – manchmal bis auf das blanke Leinen. Die Leinwand wird zum löchrigen Fangnetz – der Fisch auf der linken Seite kann gerade noch entkommen.
Viele von ihren Bildern muten an wie eine Safarilandschaft: Wer genau hinschaut, kann winzige Bären entdecken, direkt neben Elefanten, deren Rüssel sich in Schlangen verwandeln. Es ist nicht alles sofort sichtbar, ganz ähnlich wie beim Betrachten der Natur: Auch hier verstecken sich Insekten unter Grashalmen, Vögel im Laub. Man braucht – wie bei der Kunst auch - Geduld, Hingabe und Neugier, um Verborgenes zu entdecken.
Vogelbeobachtung als Meditation
Oft sitzt Frieda Wionzek auf der Terrasse in ihrem Haus und verliert sich in der Zeit. Voller Entdeckerstolz sammelt sie ihr bisher unbekannte Vogelarten. Was das Vögelbeobachten so einzigartig macht? Die Sammelleidenschaft? Vielleicht. Die Fähigkeit der Vögel, aus eigener Kraft zu fliegen? Faszinierend. Aber vielleicht auch einfach offen zu sein, für das, was vor den eigenen Augen passiert, ohne es beeinflussen zu können. Ganz ähnlich wie beim Malen, wenn Wionzek vor der nächsten Leinwand steht.
Begleitet wurde die Vernissage vom Künstler Philipp Lumpp, der mit seiner markanten Stimme deutschen Pop, Rock und Chansons aus mehreren Jahrzehnten zum Leben erweckte.
Tiere. Tiefe. Tarnung.
Ausstellung von Frieda Wionzek
DHBW Heilbronn / Gebäude 4
Bis zum 31.März 2026
Wochentags von 8:00-17:00 Uhr






