Mehr bioregionale – und damit teurere – Lebensmittel auf dem Teller?

Studierende der DHBW Heilbronn untersuchen Möglichkeiten zur Steigerung des Anteils regionaler Bioprodukte in Kantinen und Mensen 

Ende Juli 2023 startete der Discounter Penny eine aufsehenerregende Aktion: Eine Woche lang trugen ausgewählte Waren gleich zwei Preisetiketten: Die Wiener Würstchen beispielsweise, die sonst für 3,19€ pro 400g-Packung verkauft werden, kosteten eine Woche lang stolze 6,01€ – so hoch sind ihre „wahren“ Kosten.

„Wahre“ Kosten? Das sind nicht nur die Kosten, die das herstellende Unternehmen hat, sondern zusätzlich auch diejenigen, die darüber hinaus anfallen für die Behebung der Schäden, die bei der Produktion entstehen: Schäden durch CO2-Ausstoß bei der Herstellung, durch Wasserverbrauch, Bodenbelastung und Einsatz gesundheitsschädlicher Substanzen. Forscher*innen der TH Nürnberg und der Uni Greifswald haben errechnet, dass die „wahren“ Kosten höher sind bei tierischen Produkten (gegenüber pflanzlichen), bei konventionell produzierten (gegenüber biologischen) – und dass Fleischprodukte von den untersuchten Kategorien die höchsten „wahren“ Kosten verursachen.

Bei der biologischen Erzeugung von Lebensmitteln fallen weniger dieser sogenannten externen Kosten an, da ressourcenschonender produziert und z.B. weitgehend auf Dünger, Pestizide, Antibiotika verzichtet wird. Diese Produktionsweise ist teurer, Bioprodukte müssen deshalb teurer verkauft werden als konventionell hergestellte – und weisen erheblich geringere „wahre“ Kosten auf. Der höhere Preis für Bio-Lebensmittel ist also der „richtigere“, und mehr Bio wäre besser für Mensch und Umwelt. Mehr Bio: Wie kann das erreicht werden, in Abwesenheit größerer politischer Weichenstellungen? Wie können – ganz konkret und vor der eigenen Haustür – bioregionale Märkte entwickelt werden, und insbesondere: Wie kann Konsument*innen der Mehrwert bioregionaler Lebensmittel vermittelt werden, um sie zum Kauf dieser höherpreisigen, weil besser produzierten Güter zu bewegen?

Dieser Frage hat sich eine Gruppe dual studierender Food Manager*innen an der DHBW Heilbronn gewidmet. Sie haben erforscht, worin konkret der Mehrwert bioregionaler Produkte gegenüber konventionellen besteht, wie er sich in Euro und Cent bemessen lässt und wie er den Verbrauchern kommuniziert werden kann. Dabei wurden die Studierenden von Forscher*innen und Lebensmittelproduzent*innen im Projektteam „RegioBioMatch“ des Ferdinand-Steinbeis-Instituts Heilbronn unterstützt und gecoacht.

Weil täglich um die 17 Millionen Menschen in Deutschland in Betriebsrestaurants, Mensen und Kantinen essen, liegt hier ein großes Potenzial für bioregionale Lebensmittel. Für drei bioregionale Produkte haben die Studierenden exemplarisch aufgezeigt, wie sie bedarfsgerecht in die Mensen und Kantinen in und um Heilbronn gelangen können und wie dort die Gäste zielgruppengerecht informiert und dafür gewonnen werden können.

Für die drei untersuchten Produkte Pilze, Kartoffeln und Schweinefleisch ergaben sich dabei in Gästebefragungen ähnliche Bilder: Es werden vor allem die qualitativen und gesundheitlichen Vorteile bioregionaler Produkte geschätzt (Frische, keine Pestizide) sowie beim Fleisch das höhere Tierwohl. Ebenso wird die regionale Herstellung bevorzugt wegen der kürzeren Transportwege und der heimischen Wertschöpfung. Dabei zeigt sich: Das Attribut „regional“ ist den Verbrauchern etwas wichtiger als „bio“.

Transparenz scheint das Zauberwort zu sein: Die Gäste wünschen sich durchweg mehr Information zu Herkunft und Produktionsweise der Lebensmittel. Dementsprechend lauten die Empfehlungen der Studierenden, mit Infomaterial und Events einen persönlichen Bezug zum Landwirt oder der Landwirtin herzustellen, um so Vertrauen in die Qualität zu schaffen und für die Unterstützung der regionalen Landwirtschaft zu werben. Ergänzend sollte denn auch im Restaurant das beworbene bioregionale Produkt in den Vordergrund gestellt werden, die Speisekarte also beispielsweise nicht „Pasta mit Pilzen“ offerieren, sondern besser eine „Pilzpfanne mit Nudeln“.

Die empirische Forschung der Studierenden ergab auch: Für bessere, weil bioregionale Produkte besteht durchaus eine (mindestens in den Umfragen bekundete) Mehrzahlungsbereitschaft, die je nach Produkt zwischen 10% Aufpreis und einem Mehrpreis von im Mittel 2,23€ je Gericht liegt. Es bleibt in der weiteren Umsetzung zu evaluieren, ob sich diese Mehrzahlungsbereitschaften auch tatsächlich „heben“ lassen, sich also nicht nur als gute Vorsätze herausstellen – in Zeiten hoher Inflation und knapper Budgets durchaus eine substantielle Limitation.

„Wertschätzung für Lebensmittel entsteht nicht nur aus dem wahrgenommenen Genusswert, sondern wächst, wenn Menschen verstehen, wie ihr Essen produziert wird und welche ökonomischen, ökologischen, sozialen, ethischen, gesundheitlichen, emotionalen und weiteren Dimensionen damit verbunden sind. Mehr Wissen um die durchaus komplexen Aspekte der Lebensmittelherstellung ist eng mit der Entstehung einer Mehrzahlungsbereitschaft verknüpft“, so Prof. Dr. Jutta Maute, die gemeinsam mit Doktorandin Maren Ann-Kathrin Jakob und Vertretern der Ferdinand-Steinbeis-Projektgruppe den Kurs betreute. 

Letztere freuen sich über die Ergebnisse und Vorschläge der Studierenden, denn sie fließen ein in ein größeres Projekt, mit dem Anbieter und Nachfrager regionaler Bioprodukte zusammengebracht und über eine digitale Plattform vernetzt werden, um so den Markt für bioregionale Lebensmittel zu stärken. Mehr Informationen zum EU-geförderten EIP-Agri-Projekt des Ferdinand-Steinbeis-Instituts finden sich hier: RegioBioMatch - Ferdinand-Steinbeis-Institut