"Die Stärke des Rechts durchsetzen, nicht das Recht des Stärkeren" - MdB Michael Link beim Studium Generale

Zum 15. Students‘ Executive Talk an der DHBW Heilbronn empfing die Rektorin Prof. Dr. Nicole Graf den europapolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und transaltlantischen Koordinator der Bundesregierung sowie ehemaligen Direktor des OSZE-Menschenrechtsbüros Michael Georg Link. Zu einem voll gefüllten Auditorium im Forum am Bildungscampus sprach Link über die Hintergründe, den Stand und die möglichen Zukunftsszenarien des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine. Die Veranstaltung fand zum dritten Mal in Kooperation mit der Volkshochschule Heilbronn statt.

„Die Angelegenheit ist komplex und es gibt keine einfachen Antworten“, warf Link gleich zu Beginn seines Vortrags in den Saal. Link nahm sich des Themas an und gewährte ihm die Vielschichtigkeit, die es verdient. Das Heilbronner Gemeinderatsmitglied engagierte sich bereits früh politisch und ist Kenner osteuropäischer Sprachen und Kultur. Link ist überzeugter Europäer und setzt sich in seinen verschiedenen Funktionen für die Wahrung der Menschenrechte weltweit ein. So übernahm er die Patenschaft für einen politischen Gefangenen aus Belarus und engagiert sich in der der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, sowie in den Parlamentarischen Versammlungen des Europarats und der OSZE. 

Für Link ist die Europäische Union nicht nur als Wirtschaftsverbund, sondern auch als Friedensunion die größte Chance auf Wahrung des europäischen Friedens. Die Arbeit der Europäischen Union bedeute, Meinungsverschiedenheiten rational zu analysieren, zu diskutieren und zu überwinden. Doch der russische Angriffskrieg nur wenige hundert Kilometer von Deutschland entfernt, so sind sich Link und Rektorin Graf einig, ist eine elementare Bedrohung für das europäische Friedensprojekt. 

Russisch-Ukrainischer Konflikt nicht neu
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sei nicht neu, so Link. Ab dem 16. Jahrhundert lagen die Gebiete der heutigen Ukraine im polnischen Herrschaftsbereich, andere Gebiete orientierten sich an Russland, östliche Teile wiederum befanden sich unter osmanischer Herrschaft. Schon im 19. Jahrhundert begann sich in der Ukraine eine Nationalbewegung zu formieren, die die Vorstellung vom dreieinigen russischen Volk aus Großrussen, Kleinrussen und Belarussen ablehnte und die Formierung einer „ukrainischen“ Nation anstrebte. Der Anspruch, den Russland auf die Ukraine erhebt, ist daher mit einem Blick in die Geschichte eindeutig widerlegbar. Nach Links Einschätzung rühre dieser Anspruch von einem Reichsgedanken, den Russland seit der Zarenzeit über die Sowjetherrschaft bis zum heutigen Tag verfolgt. Putin selbst nannte in einer vielzitierten Rede den Zerfall der Sowjetunion „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. Dies geht mit der anhaltenden imperialistischen Selbsteinschätzung von Putins Russland einher, das die Stärke einer Nation an der Göße ihres Staatsgebiets und ihrer Dominanz über andere Völker misst. 

Eine demokratische Ukraine – trotz aller Imperfektion und Unfertigkeit– stellt deshalb eine Bedrohung für die russische Ideologie dar. Michael Link selbst hat sich als Direktor des OSZE-Menschenrechtsbüros häufig in der russischen Politik bewegt und mit vielen russischen Politikern und Kennern der Osteuropa-Politik gesprochen. Der Angriffskrieg Russlands sei von langer Hand und mit langem Atem geplant gewesen. Strategisch setzt Putin auf einen Abnutzungskrieg, in dem er einen stetigen Fluss an Soldaten und militärischer Ausstattung an die Front schicke. Da die ukrainische Bevölkerung nur ein Drittel des russischen Volkes ausmacht, arbeitet die Zeit für Putin. Umso wichtiger ist es, dass die demokratische Staatengemeinschaft die Ukraine entschieden unterstützt, ohne dabei selbst als aktive Kriegspartei in das Geschehen einzugreifen. Schließlich müsse ein Erfolg von Putins Vorhaben unbedingt verhindert werden, sonst, „öffne sich die Büchse der Pandora“. Das würde weitreichende Konsequenzen mit sich ziehen, denn wenn die Ukrainisch-Russischen Grenzen in Frage gestellt werden, dann stehen noch weitere Grenzen in Frage.

Wehrfähige Ukraine notwendig für schnelles Kriegsende  
In der anschließenden Fragerunde, wurde die Sprengkraft des Themas deutlich. Auf die Frage, ob es alternative Lösungen gibt, antwortete Link, dass die Telefondiplomatie zwischen Putin, Macron und Scholz weiterhin stattfinde und dass auch im Rahmen der OSZE die Kanäle zu den russischen Politikern aufrechterhalten werden. Auf die Anmerkung eines Studenten, die Ukraine sei für ihn und seine Familie nur ein anderes Regime, gibt Link zu bedenken, dass die ukrainischen Wahlen 2014/2015 von über 1.000 Wahlbeobachtern der OSZE beobachtet wurden. Obwohl es noch viel Korruption in der Ukraine gebe, seien die Wahlen von der Aufstellung der Kandidaten bis hin zur Auszählung fair und demokratisch verlaufen. „Selten war die Lage so klar wie bei diesem Angriffskrieg“, sagt Link. Man dürfe das Opfer nicht zum Täter machen, nur weil es sich verteidige. Bei der Rückeroberung der Gebiete, so Link, liege das Völkerrecht ganz klar auf Seiten der Ukraine. 

Das Wunschszenario – eine schnelle Beendigung des Krieges in den nächsten Monaten - ist nicht nur für die Ukraine erstrebenswert. Auch auf Deutschland hat der Krieg massive Auswirkungen – von Lieferkettenproblemen, über die Energiekrise, bis hin zu den Flüchtlingsströmen. Abschließend betonte Link:  Je schneller die Staatengemeinschaft die Ukraine wehrfähig mache, desto schneller sei dieser Krieg beendet.