„Aufgeben – das gibt es bei mir nicht.“ Weinprinzessin und Wein-Technologie-Management-Studentin Vivien Jesse im Interview

Manchmal dauert es etwas länger, bis das Winzer-Gen in einer Familie wieder durchschlägt. Im Fall der Weinprinzessin und dualen WTM-Studentin Vivien Jesse drei Generationen: Bereits ihr Urgroßvater August Vollmer war als Winzer aktiv und sehr engagiert in seiner Weinbaugemeinde. Und vielleicht wird diese Leidenschaft auch auf die nächste Generation vererbt: Jesses kleine Tochter teilt ihre Liebe zur Natur und den Weinbergen und freut sich, wenn sie bei offiziellen Terminen dabei sein kann. In ihrer Dreifachrolle als junge Mutter, Weinhoheit und duale Studentin muss Jesse sich gut organisieren. Auch zu unserem Gespräch erscheint sie perfekt vorbereitet: Für die Foto-Session hat sie für alle Fälle das Diadem dabei, lässig in den Hosenbund gesteckt. Kurz nach unserem Gespräch über Herausforderungen im Alltag, Fitnessstudiobesuche um Mitternacht und der Vorfreude auf den nächsten Weinlese-Herbst sitzt Jesse bereits wieder in ihr Skript vertieft auf der roten Couch an der DHBW Heilbronn.

Liebe Frau Jesse, wie sieht der Tag einer Weinprinzessin im dualen Studium aus?
Einen Tag effizient zu gestalten, bedeutet, dass man sich selbst sehr gut organisieren können muss. In der Regel stehe ich um sechs Uhr früh auf, kümmere mich um meine Tochter und bringe sie in den Kindergarten. In den Theoriephasen können wir den Morgen etwas entspannter angehen, wenn ich bei meinem Dualen Partner arbeite, bleibt leider nicht mal Zeit für das Frühstück. In der Vorlesungszeit, also nach halb fünf am Nachmittag, versuche ich, die Zeit mit meiner Tochter und Familie zu verbringen. Lernen ab 19 Uhr und dreimal die Woche Fitnessstudio ab 22 Uhr. Ohne sportlichen Ausgleich geht es bei mir nicht. Generell nutze ich jede freie Minute, die mir bleibt, für das Lernen. In der Klausurenphase lasse ich mir das Skript zum Beispiel übers Handy vorlesen, wenn ich am Laufband Sport mache.

Wie bringen Sie Amt, Studium und Familie unter einen Hut?
Ich habe das Glück, dass ich eine Familie habe, die mich sehr unterstützt. Aber auch meine Dozenten sind sehr verständnisvoll. Da der Kindergarten nur bis halb vier geöffnet ist, kommt es schon mal vor, dass ich vor Ende der Vorlesung gehen muss. Jetzt im Frühjahr nehmen die Termine im Amt zu, da werde ich öfter im Einsatz sein. Bis jetzt habe ich meine Tochter auch schon zu den Veranstaltungen mitgenommen, sie macht das wirklich hervorragend und fragt, wann sie wieder dabei sein darf.

Was hat Sie bewogen, an der Wahl zur Weinkönigin teilzunehmen?
In meiner Ausbildung als Weintechnologin vor meinem Studium an der DHBW Heilbronn ist mir schmerzlich klar geworden, dass gerade meine Generation wenig Weinwissen hat. Da kam beim Abend mit Freunden schon mal die eine oder andere seltsame Frage auf. Mir ist klar geworden, dass der Wein und die grünen Berufe dringend mehr Öffentlichkeitsarbeit brauchen. Es macht mir großen Spaß und die Liebe zum Wein und zum Amt wird mehr und mehr eine Herzensangelegenheit. Gleichzeitig bin ich sehr heimatverbunden, mein Heimatort ist umgeben von Weinbergen. In meiner Jugend und auch jetzt bin ich zur Entspannung in den Weinbergen unterwegs.

Welcher Moment hat Sie in ihrer Amtszeit am meisten beeindruckt?
Das war tatsächlich der Tag der Wahl. An diesem Tag ging es mir gesundheitlich nicht ganz so gut – ich stand mit Fieber auf der Bühne und habe alles etwas ferngesteuert wahrgenommen. Aber als mein Name gerufen und mir das Krönchen aufgesetzt wurde, kam meine Tochter zur Bühne gerannt. Ich habe sie in meine Arme genommen und es flossen erste Tränen – das war schon ein ziemlich emotionaler Moment.

Als Weinhoheiten haben wir die Möglichkeit, viele interessante Persönlichkeiten kennenzulernen, zum Beispiel in Brüssel beim Treffen in der Landesvertretung den Ministerpräsidenten Herrn Kretschmann und seinen Stellvertreter Herrn Strobl. Es ist auch schön, auf den Veranstaltungen alte und neue Bekannte wieder zu treffen. Die Württemberger Weinbaugemeinschaft ist wie eine kleine Familie, man kennt sich und kümmert sich umeinander.

Was sagt ihre Tochter dazu, dass ihre Mama jetzt Prinzessin ist?
Wir hatten ihr zur Wahlveranstaltung eine kleine Tiara gekauft. Als sie dann bei mir auf der Bühne stand, sagte sie begeistert: „Mama, jetzt bist du auch eine Prinzessin!“ Obwohl ich manchmal schon ziemlich müde und erschöpft bin, weiß ich, wofür ich die Anstrengungen auf mich nehme. Aufgeben - - das gibt es bei mir nicht, ich kämpfe bis zum Schluss. Ich will meiner Tochter zeigen, dass man als Frau alles erreichen kann. Gerade im Handwerk ist es nicht immer einfach, da muss man sich gleich zu Beginn das richtige Standing erarbeiten. Später soll sie selbst entscheiden können, was sie machen will. Ich werde sie dabei unterstützen.

Warum haben Sie sich für die Weinbranche und das duale Studium Wein – Technologie – Management in Heilbronn entschieden?
Ich komme aus einem Beamtenhaushalt, da war die Karriere im Weinbau nicht unbedingt vorgezeichnet. Nach meinem Abitur habe ich verschiedene Praktika gemacht und schon nach einem Tag in der Felsengartenkellerei in Hessigheim stand für mich fest: Das ist es. Nach der Ausbildung wollte ich mich unbedingt weiterbilden und Karriere machen. Ich habe schon damals gemerkt, dass mir das noch nicht reicht. Daher habe ich mich für ein Studium an der DHBW Heilbronn entschieden. Das ist für mich einerseits sehr praktisch, da es nah an meinem Wohnort liegt. Andererseits gefällt mir der Wechsel zwischen Praxis und Theorie. Durch die Kooperation mit der LVWO Weinsberg sind wir nach dem Studium breit aufgestellt – wir verfügen über eine breite Palette an Wissen und können in allen Bereichen im Weinbau und Weinhandel tätig sein. Bei meinem Dualen Partner habe ich das Glück, dass ich alle Abteilungen durchlaufen kann und mir nach meinem Studium viele Möglichkeiten offenstehen.

Gibt es schon Pläne für die Zeit nach dem Studium?
Ich liebe den Herbst und kann es ehrlich gesagt kaum erwarten, dass die Lese beginnt und ich wieder in den Keller zurückkehre. Das ist eine Leidenschaft, die ich nach dem Studium gerne vertiefen möchte. Die Praxisphasen dauern ja nur drei Monate, da fehlt mir momentan noch die Zeit, Anregungen aus dem Studium in aller Ruhe und langfristig zu durchdenken und zu verwirklichen. Gleichzeitig möchte ich noch mehr Praxiserfahrung im Keller sammeln. Ich kann mir gut vorstellen, in zehn Jahren als Kellermeisterin zu arbeiten.

Und zu guter Letzt, welchen Wein trinken sie selbst am liebsten?
Es ist tatsächlich der Trollinger, und das sage ich nicht aus Marketinggründen. Mir gefällt, dass er so vielseitig ist. Man kann ihn leicht und fruchtig ausbauen, aber er kann auch so dunkel wie ein schwerer Spätburgunder aussehen. Bei meinem dualen Partner, der Württembergische Weingärtner-Zentralgenossenschaft, ist der Trollinger Rosé unser Verkaufsschlager, der ist schön fruchtig und passt gut in die Sommerzeit.